Bandscheibenvorfall – wenn der Rücken ächzt
Rund 24 % aller Berufsunfähigkeiten in Deutschland sind auf Leiden am Skelett- und Bewegungsapparat zurückzuführen. Dazu gehören sowohl Erkrankungen der Knochen und Gelenke, wie Arthrose und Rheuma, als auch Rückenleiden, wie chronische Rückenschmerzen und Bandscheibenvorfälle, die unter anderem durch die Belastung am Arbeitsplatz entstehen. Dabei steigt die Zahl der Bandscheibenvorfälle kontinuierlich, was vielerlei Ursachen hat. Was dieses Leiden ausmacht, was dazu führt und was Sie dagegen tun können, erfahren Sie in unserem Ratgeber.
Inhalt:
Was sind Bandscheiben und wozu dienen sie?
Die menschliche Wirbelsäule besteht aus 24 freien Wirbeln, die durch 23 Bandscheiben getrennt werden. Die Bandscheiben dienen dabei als Stoßdämpfer, Abstandshalter zwischen den Wirbelknochen und erlauben überhaupt erst Bewegung und Flexibilität der Wirbelsäule. Bandscheiben bestehen aus einer zähen Faser-Hülle (Anulus fibrosus) und einem gelartigen Kern (Nucleus pulposus). Wie ein Kissen dämpfen sie Stöße zwischen den Wirbeln und verhindern ihre Reibung aneinander.
Genährt werden sie durch Flüssigkeit, die wiederum durch Bewegung zu den Bandscheiben gelangt. Im Stehen oder Sitzen wird viel Druck auf die Bandscheiben ausgeübt. Über den Tag werden die Bandscheiben zusammengedrückt, wobei die Flüssigkeit aus den Bandscheiben gepresst wird. Über Nacht, im Liegen, werden sie entlastet und können sich wieder mit Flüssigkeit vollsaugen. Das erklärt auch den Größenunterschied morgens und abends von teilweise mehreren Zentimetern. Die Flüssigkeit hält auch die Hülle geschmeidig.
Ursachen für einen Bandscheibenvorfall
Ein Bandscheibenvorfall – also ein Bandscheibenprolaps – liegt dann vor, wenn die Faser-Hülle, auch Faserring genannt, porös wird oder reißt und der flüssige Kern der Bandscheibe hervortritt. Dieser drückt auf umliegende Nerven und verursacht so teils starke Beschwerden im Rücken sowie in den Armen und Beinen. Dabei kann der Kern in alle Richtungen austreten, am häufigsten aber in Richtung des Spinalkanals, in dem das Rückenmark sitzt. Von einer Bandscheibenprotrusion spricht man bei einer Vorwölbung des Faserrings sowie des Kerns. Sie gilt als die Vorstufe des eigentlichen Bandscheibenvorfalls, kann aber ebenfalls schon zu Beschwerden führen.
Nur selten tritt ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) oder der Brustwirbelsäule (BWS) auf. Im Halswirbelbereich auch zervikaler Bandscheibenvorfall genannt, entsteht vor allem, wenn der Betroffene viel in vornübergebeugter Haltung sitzt, beispielsweise bei der Arbeit am Computer, bei Laufbandarbeit, am Handy, Laptop, etc. Fehlt die nötige Bewegung, die den Bandscheiben wichtige Nährstoffe zuführt, kommt es zum Verschleiß.
Am häufigsten – in rund 90 % aller Fälle – tritt der Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) auf, denn da ist die Belastung am größten. Die Lendenwirbel tragen den meisten Druck, und das sowohl im Stehen als auch im Sitzen. Auch Heben, einseitiges Tragen und Sprünge wirken mit enormer Kraft auf die Bandscheiben. Neben der übermäßigen Belastung der Wirbelsäule beziehungsweise fehlenden Entlastung können auch der altersbedingte Abbau und genetische Faktoren eine Rolle spielen.
Typische Symptome
Der Schmerz kommt zwar in seiner Intensität plötzlich, kündigt sich aber oft über Tage mit leichten Schmerzen an. Je nach Stärke der Faserring-Ruptur und ihrer Auswirkung können die Beschwerden von kaum merkbar bis hin zu lähmend ausfallen.
Drückt der Gallertkern auf umliegende Nerven, kommt es zu den unangenehmen Begleiterscheinungen. Ein zervikaler Bandscheibenvorfall geht oft mit Kribbeln und Taubheitsgefühlen in den Armen einher. Zusätzlich klagen Betroffene über Nacken- und Kopfschmerzen.
Bei einem lumbalen Bandscheibenvorfall – also im Bereich der Lendenwirbel – kommt es zu starken Schmerzen im unteren Rücken, der ins Gesäß und die Beine ausstrahlen kann. Auch eine Ischialgie kann durch einen Bandscheibenvorfall bedingt sein. Der austretende Kern drückt dabei auf den Ischiasnerv und verursacht so die Schmerzen. Ebenso ist der Austritt in Richtung des Spinalkanals möglich. Der Gallertkern drückt dann aufs Rückenmark oder wichtige Nerven, wodurch es zu gefährlichen Lähmungserscheinungen kommen kann.
Ein Bandscheibenvorfall kann allerdings auch ohne starke Symptome, also asymptomatisch vorkommen. Meist wird er bei einer Routineuntersuchung oder aus anderen Gründen entdeckt. Oft verheilt oder erholt sich die brüchige Faser-Hülle wieder, ohne dass gezielt etwas dagegen getan wurde. Halten die Rückenschmerzen jedoch über einige Wochen an, ist ein Besuch beim Arzt unvermeidbar.
Diagnose und Behandlung beim Bandscheibenvorfall
Ein Facharzt wird zunächst über eine ausführliche Anamnese klären, ob es sich um einen Bandscheibenvorfall handeln kann. Je nach Schmerzintensität führt er eine erste körperliche Untersuchung durch Abtasten durch. Bestätigt sich der Verdacht, kann über ein CT (Computer Tomographie) oder ein MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie) Klarheit geschaffen werden. Die CT oder MRT Bilder zeigen dann auch, wie schwerwiegend der Vorfall ist und geben Aufschluss darüber, welche Behandlungsmethode aufgegriffen wird.
Konservative Behandlung
Da ein chirurgischer Eingriff – besonders im Bereich der Wirbelsäule – immer mit einem Risiko verbunden ist, greifen zunächst konservative Behandlungsmethoden. In erster Linie geht es dabei darum, die akuten Beschwerden zu lindern. Bei starken Schmerzen ist es daher auch sinnvoll auf Schmerzmittel zurückzugreifen, um in der Lage zu sein, sich zu bewegen. Denn Bewegung ist jetzt besonders wichtig. Bettruhe empfiehlt sich nur in den ersten paar Tagen und auch nur, wenn die Schmerzen keine Aktivitäten zulassen. Wie beim Hexenschuss kann auch beim Bandscheibenvorfall Wärme helfen, durch den Schmerz verkrampfte Muskeln zu entspannen. Nutzen Sie dazu Wärmekissen, Wärmegele oder auch wärmendes Rotlicht.
Zur schnellen Linderung der Beschwerden wird auch die Stufenlagerung empfohlen. Dabei werden, auf dem Rücken liegend, die Unterschenkel im 90-Grad-Winkel beispielsweise auf einem Stuhl abgelegt. Das entlastet die Wirbelsäule und entspannt die Muskulatur. Mäßige Bewegung und leichte Übungen sollten weiterhin ausgeübt werden.
Diese können Sie im Rahmen einer Physiotherapie erlernen und auch zu Hause anwenden. Auf lange Sicht müssen Sie Wege finden, Ihren Rücken und damit auch die Bandscheiben zu entlasten. Denn eine rupturierte Bandscheibe heilt nie komplett aus und muss daher stets mit Vorsicht behandelt werden.
Operation bei Bandscheibenvorfall
Oft verschwinden die Beschwerden nach einiger Zeit von alleine. Halten die Schmerzen über Wochen an oder treten Lähmungserscheinungen auf, ist eine Operation unumgänglich. Je nachdem, welche Nerven betroffen sind, muss schnell gehandelt werden. Kommt es beispielsweise zur Beeinträchtigung der Blasen- oder Enddarmfunktion, muss sofort operiert werden, um mögliche Folgeschäden an den Nerven oder am Knochenmark zu vermeiden.
Über die Eingriffsart – beispielsweise minimalinvasiv oder mikrochirurgisch – entscheidet das Ausmaß des Bandscheibenvorfalls und wo dieser liegt. Auch wenn nur ca. 15 % aller Bandscheibenvorfälle chirurgisch behandelt werden, steigt die Anzahl der jährlich auftretenden Vorfälle. Dazu ist es wichtig zu beachten, dass ein operativer Eingriff kein Garant für eine vollständige Heilung ist. Eine Operation geht natürlich immer mit Risiken einher, die abgewogen werden müssen. Zudem muss der Patient auch nach der OP eine Reha anschließen.
Die gute Nachricht ist, dass Sie einem Bandscheibenvorfall sowie anderen Rückenleiden in der Regel vorbeugen können.
Vorbeugen durch richtiges Sitzen und ausreichend Bewegung
Manche Personengruppen sowie Berufsgruppen haben ein erhöhtes Risiko einen Bandscheibenvorfall zu erleiden. Dazu gehören grundsätzlich ältere Menschen, da die Elastizität und Dicke der Bandscheiben durch Flüssigkeitsverlust mit dem Alter abnimmt. Eine genetische Vorbelastung begünstigt das Risiko bereits in jüngeren Jahren. Auch Menschen mit Übergewicht belasten ihre Wirbelsäule unter anderem durch die oft mangelnde Bewegung.
Zu den vorbelasteten Berufsgruppen zählen alle Berufe, die mit vielem Sitzen oder Stehen einhergehen, wie
beispielsweise:
- LKW-Fahrer/Fernfahrer
- Berufe, die mit Heben von schweren Lasten verbunden sind
- Bandarbeiter
- Büroangestellte
Auch Sportarten, bei denen ruckartige Bewegungen erfolgen, können bei einem untrainierten Rücken zu Verletzungen führen.
Grundsätzlich sollten Sie also stets darauf achten, dass Sie sich im Alltag ausreichend bewegen. Vermeiden Sie Übergewicht und achten Sie darauf, dass Sie Ihre Wirbelsäule möglichst oft entlasten. Nutzen Sie beim Heben die Kraft aus den Beinen, statt aus dem Rücken.
Gehen Sie beruflich einer sitzenden Tätigkeit nach – zum Beispiel im Büro –, so können Sie durch einen ergonomischen Bürostuhl und dynamisches Sitzen dafür sorgen, dass Ihr Rücken geschont wird. Hier ist es besonders wichtig, dass Ihr Bürostuhl richtig eingestellt ist.
Sorgen Sie rechtzeitig vor und tun Sie Ihrem Rücken vorbeugend etwas Gutes!